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Vitamin D

Vitamin D ist das „Trend-Vitamin“, wie das die Medien nennen. Für kein anderes Vitamin wird so geworben, auch durch eine starke Lobby. Es ist auch tatsächlich elementar wichtig. Es wird unter anderem für den Knochenaufbau gebraucht, auch fürs Immunsystem und vieles andere. Es gilt auch als „Sonnen-Vitamin“, es entsteht ganz von selbst, durch Aufenthalt im Freien. Die Muttermilch enthält interessanterweise eher wenig davon. Für Vitaminexperten ist das Grund und Ansporn, schon Babys das Vitamin zu verabreichen. Dabei ist es sehr umstritten, ob Extra-Vitamine wirklich nützen. Die Datenlage ist zwiespältig, Behörden sind skeptisch. Schließlich kann es auch bedenkliche Nebenwirkungen geben.

 

Vitamin D ist als »Knochenvitamin« bekannt; ein Mangel daran führt zu Rachitis und Osteoporose. Vitamin D sorgt unter anderem dafür, dass der Knochenbaustein Kalzium aufgenommen und im Skelett und in den Zähnen eingelagert wird.

 

Darüber hinaus zählt es zu den tragenden Säulen des Immunsystems. Es hemmt bestimmte Botenstoffe und verhindert dadurch das Entgleisen entzündlicher Reaktionen. Überdies ist das Vitamin an der Ausbildung der T-Lymphozyten in der Thymusdrüse beteiligt. Zudem bringt es schließlich die Fresszellen dazu, mehr Wasserstoffperoxid und Alpha-Tumornekrosefaktor im Kampf gegen den Krebs auszuschütten.

 

Außerdem wirkt es als »Entzündungsmodulator«: Wenn zu wenig Vitamin D im Körper ist, können sich beispielsweise harmlose Pickel oder Pustel zu schmerzhaft en Eiterherden entwickeln. Schließlich unterstützt das Vitamin noch die Produktion von Abwehrzellen in der Thymusdrüse sowie die Übertragung der Signale von einer Nervenzelle zur nächsten.

 

Vitamin D wird permanent von der Haut produziert, und zwar bis zu 90 Prozent des gesamten Bedarfs. Wichtig dafür sind allerdings Tageslicht und eine gewisse Menge Cholesterin. Selbst bei schlechtem Wetter gilt die Versorgung als gesichert, Schon „3 mal 15 Minuten pro Woche« sei genug, so das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), »um die benötigte Vitamin-D-Menge bereitzustellen«.

 

Wenn der ganze Körper besonnt wird, gibt es eine wahre Vitamin-D-Flut: Die Haut gibt dann in den nächsten 24 Stunden 10 000 bis 20 000 internationale Einheiten, also 250 bis 500 Mikrogramm, ins Blut ab – die normalen Vitamin-D-Tabletten enthalten häufig etwa zehn Mikrogramm und können schon in geringer Dosis schaden. Mit der Vitaminflut aus der Sonne kann der Körper umgehen, ohne zu verkalken.

 

Anders, wenn er Extra-Vitamin D bekommt. Zusätzliche Gaben als unnötig bis gefährlich. Das gilt vor allem für Kinder, deren Vitamin-D-Verwertung noch besonders effektiv ist und die daher für Überdosierungen leichter anfällig sind.

 

Doch gerade die Vitamin-D-Gaben zu Beginn des Lebens sind gewissermaßen Pflicht. Es gibt niemanden, der sie in Frage stellt oder gar davon abrät. Allenfalls die Dosis wird diskutiert.

 

Von Natur aus wird der Vitamin-D-Level sorgsam reguliert, mit einer ganzen Reihe von Mechanismen und Substanzen, wobei auch Kalzium und Phosphate eine Rolle spielen.

 

Denn es geht gewissermaßen um eine Gratwanderung: Auf der einen Seite sollen die Knochen möglichst stabil sein – auf der anderen Seite soll der Körper auch nicht verkalken.

 

So wird schon der Vitamin-D-Gehalt in der Muttermilch wird von Natur aus sorgsam reguliert - und begrenzt, wenn er unvermittelt ansteigt, indem sie zum Beispiel Vitamin-D-Pillen einnimmt.

 

Wenn die Mutter Vitamin D in der üblichen Dosis (10 Mikrogramm oder 400 Internationale Einheiten am Tag) schluckt, filtert sie diese offenbar aus der Muttermilch raus, um ihr Kind zu schützen.

 

Und auch die Babys selbst wehren sich ihrerseits gegen eine überhöhte Zufuhr.

 

Das hatte eine Studie der Medizinischen Universität von South Carolina ergeben: Wenn Babys Extra-Vitamin-D per Pille kriegen, haben sie hinterher davon gar nicht mehr im Blut als die Muttermilchtrinker. Es gab bei den Leveln „keine Unterschiede“ zwischen jenen Säuglingen, die Extra-Vitamin D bekamen und den anderen, die ausschließlich Vitamin-D-arme Muttermilch tranken.

 

Sie wollen das Extra-Vitamin offenbar nicht, und sie sollen es auch nicht bekommen, weil sie es schlicht nicht brauchen. Sie packen es sofort ins körpereigene Depot. Denn zu wenig Vitamin D ist nicht gut, weil die Knochen dann morsch werden. Zu viel aber ist auch nicht gut, weil der Mensch dann verkalkt. 

 

Und das kann bei Kindern schon bei 10 Mikrogramm am Tag passieren, warnt das Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), die höchste staatliche Behörde in Deutschland in Sachen Lebensmittelsicherheit.

 

10 Mikrogramm, oder 400 IE (internationale Einheiten). Das ist exakt die Menge, die hierzulande die Kinder sozusagen pflichtmäßig verpasst kriegen, im Säuglingsalter. Weil die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) das für angemessen hält. „Im Säuglingsalter reicht die Vitamin D-Versorgung durch die Muttermilch zur Bedarfsdeckung nicht aus“ behauptet auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). 

 

Ausnahmslos alle Experten sprechen sich dafür aus. Es gibt niemanden, der diese Pflicht-Vitaminisierung der Kinder anzweifelt.

 

Doch das staatliche Berliner Risikoinstitut berichtet, dass bei „einigen Säuglingen“ die Obergrenzen des Tolerierbaren schon bei dieser Menge „überschritten wurden und Hyperkalzämien auftraten“.

 

Auch »Überdosierungen von Vitamin D in der Schwangerschaft müssen verhindert werden«, warnt das Bundesinstitut, da eine »langandauernde Hyperkalzämie« zu Schäden beim Kind führen kann, zu körperlicher und geistiger Behinderung, Herzfehlern (»supravalvuläre Aortenstenose«) und Augenschäden (»Retinopathie«).

 

Hyperkalzämie, das bedeutet: zu viel Kalk im Körper. Die Folge: Verkalkung. Gefahr fürs Herz, fürs Hirn, für Nieren, auch Muskelschwäche kann drohen.

 

»Hyperkalzämie durch Überdosierung mit Vitamin D«, das war auch die Überschrift einer Warnmitteilung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft im November 2017. Ein 60-Jähriger, über den die Kommission in ihrer »Drug Safety Mail 2017-42« berichtet, muss jetzt zur Dialyse gehen, also: zur Blutwäsche. Weil seine Niere nicht mehr richtig funktioniert, sie wurde durch Kalk nachhaltig geschädigt. Der Grund: Vitamin D, das ja eigentlich für starke Knochen sorgen soll. Für die Knochen ist Kalk natürlich gut, fürs Herz und für die Niere aber eher nicht.

 

Selbst das Gehirn kann durch Vitamin D verstärkt verkalken, es kommt zur Demenz. Vitamin D begünstigt außerdem die Aufnahme von Aluminium in den Körper und beeinträchtigt die Wirkung etlicher Medikamente.


 

»Hohe Vitamin-D-Aktivitäten« könnten auch den Alterungsprozess beschleunigen, inklusive Arterienverkalkung (Atherosklerose), können zu Aufblähung von Organen (Emphysem) oder Auszehrung (Atrophie) führen, und sogar zu einem Schwund an Männlichkeit (Hypogonadismus). So eine Studie der berühmten Harvard Universität, von Mohammed S. Razzaque und Beate Lanske.

 

Sie stellten überdies, wie auch andere Studien, eine scheinbar paradoxe Wirkung von Extra-Vitamin D fest: Knochenschwund (Osteoporose).

 

Erklären lässt sich das aus der Wirkweise des Vitamins. Es gewährleistet normalerweise, dass Kalzium aus der Nahrung aufgenommen und in die Knochen eingearbeitet wird. Bei Kalziummangel sorgt das Vitamin dafür, dass der Nahrung größere Mengen des Minerals entzogen werden. Bekommt der Körper aber viel Vitamin D und nur wenig Kalzium, reagiert das Vitamin mit einem chemischen Reflex und löst jenes Kalzium, das bereits in den Knochen eingelagert ist – mit der Folge, dass der Körper an Knochensubstanz verliert. Wissenschaftliche Studien, in denen von schädlichen Folgen einer Vitamin-D-Therapie für die Knochensubstanz berichtet wird, gibt es in großer Zahl.

 

In der wissenschaftlichen Literatur als eindrucksvolles Beispiel für Risiken und Nebenwirkungen gilt ein 42jähriger New Yorker, der ein hochdosiertes Vitaminpräparat eingenommen hatte. Zunächst verspürte er einen Effekt, den er eigentlich als positiv empfand: Er hatte kaum noch Appetit. Einige Wochen später aber klappte es beim Sex nicht mehr recht, hinzu kamen Kopfschmerzen, Schwindel und Schwächegefühle, und in den Muskeln zwackte es überall. Er ging zum Arzt. Er hatte sich vergiftet – mit einem Vitamin-D-Pulver, das man, wie es der Arzt formuliert, »ohne Rezept an jeder Straßenecke bekommen kann«. Seine Nieren und seine Leber, sogar seine Blutgefäße – alles war verkalkt. Zudem war sein Blutdruck stark angestiegen. Der Mann hatte sich bis zum Tausendfachen der Vitamin-D-Dosis einverleibt, die normalerweise von Wissenschaftlern empfohlen wird.

 

Dass Vitamin D auch zu vorzeitigem Ableben führen kann, kam bei einer dänischen Studie heraus. Forscher um Darshana Durup von der Fakultät für Pharmazeutische Wissenschaften an der Universität Kopenhagen hatten genau 247.574 Personen untersucht. Das Ergebnis: Nicht nur zu wenig Vitamin D fördert das Frühableben – zu viel davon ebenso: »Zu unserer Überraschung«, so die Autoren, hätten auch »Menschen mit einem erhöhten Vitamin-D-Spiegel« ein »höheres Sterblichkeitsrisiko«.

 

Die allgemeine Begeisterung für das „Trend-Vitamin“ wird geschürt durch heftige Lobby-Aktivitäten, durch industrienahe Professoren und Vereinigungen. Sogar wenn die Europäische Union den Bedarf festlegt, sind die Industrievertreter mit dabei.

 

Dafür wurde das EU-Projekt EURRECA gegründet: European Micronutrient Recommendations Aligned. Es ging darum, die europäischen Empfehlungen für die sogenannten Mikronährstoffe, also etwa die Vitamine, zu vereinheitlichen.

 

Bei diesem EU-Vitaminprojekt war auch der Vitamin-Weltmarktführer DSM mit dabei, und die Industrie übernahm sogar die Federführung, über eine Lobbytruppe namens Ilsi (International Life Sciences Institute). Sie wird getragen von Vitaminkonzernen wie DSM, BASF, Merck, aber auch Softdrinkkonzernen, Süßwarenherstellern sowie Food-Multis.

 

Für die »Kommunikation«, also die angemessene Publicity, war auch die Industrie zuständig: der Europäische Lebensmittel-Informationsrat (European Food Information Council), kurz Eufic, ebenfalls eine reine Lobby-Vereinigung. Mit dabei: unter anderem der Vitamin-Konzern DSM.

 

Natürlich ist der Vitamin-Weltmarktführer auch mit an Bord beim EU-Projekt  FP7-613977-ODIN. Der ausführliche Titel: „Nahrungsbasierte Lösungen für optimale Vitamin-D-Versorgung und Gesundheit über das ganze Leben“.

 

Beteiligt sind Mitarbeiter aus insgesamt 30 Institutionen aus 18 Ländern in Europa, darunter auch das deutsche Robert Koch-Institut, die oberste staatliche Stelle zur Seuchenbekämpfung in Deutschland, ebenso wie die Universität Freiburg und die Medizinische Universität im österreichischen Graz. 

 

Und selbstverständlich ist die Vitaminindustrie mit dabei, wenn der Codex Alimentarius tagt, gewissermaßen die Weltregierung in Sachen Lebensmittel. Beim Unterausschuss für Babynahrung ist die Bundesrepublik Deutschland Gastgeber, und in der deutschen Delegation ist stets ein Vitamin-Lobbyist mit an Bord. Zum offiziellen Begleitprogramm gehörte zum Beispiel bei einer Tagung im deutschen Bad Soden ein „Wissenschaftliches Symposium“ ganz in der Nähe, im mondänen Schlosshotel von Kronberg im Taunus.

 

Eingeladen wurden die Codex-Delegierten aus aller Welt ganz offiziell von der deutschen Bundesregierung, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Welternährungsorganisation (FAO). Veranstalter aber war ein Lobbyverband der Vitaminindustrie namens „CRN“ (Council for Responsible Nutrition), dessen Mitglieder Firmen sind wie BASF und Bayer, auch DSM, die US-Konzerne Pfizer, Procter & Gamble und Herbalife.

 

Es sprachen Vertreter der einschlägigen Lieferfirmen, vor allem aber Professoren wie Hans Konrad Biesalski. Er zählt zu den gefragtesten deutschen Ernährungsmedizinern, und auch zu den geschäftstüchtigsten. Mit der Vitaminindustrie ist er seit langem im Geschäft, er hat sich diverse „Hohenheimer Konsensusgespräche“ bezahlen lassen, die sich mit Vitaminen beschäftigt hatten.

 

An seiner Universität in Stuttgart-Hohenheim sitzt sogar ein Mann der Vitaminindustrie ganz direkt auf einem Lehrstuhl: der Vitaminforscher Peter Weber. Er ist »außerplanmäßiger Professor« am Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft der Uni und wird praktischerweise gleich vom Vitamin-Weltmarktführer DSM bezahlt, bei dem er parallel tätig ist. Auch seine Mailadresse läuft über den Vitaminkonzern.

 

Gerade bei Vitamin D ist die Diskrepanz zwischen wissenschaftlich nachgewiesenen Fakten und Marketingwirbel eklatant. So herrschen bei diesem Vitamin, ausweislich der Analyse der staatlichen Risikowächter vom BfR in Berlin, offenbar erstaunliche »Wissenslücken«.

 

Leider kann man „beim Menschen keine exakten Angaben zum Bedarf machen“, konstatierte das staatliche Risikobewertungs-Institut in seiner umfangreichen Stellungnahme zur „Verwendung von Vitaminen in Lebensmitteln“.

 

Und wenn der Mensch Vitamin D nicht nur durch die Sonne produzieren lässt, sondern auch noch mit der Nahrung aufnimmt, dann schlägt sich das nicht einmal unbedingt in einem höheren Vitamin-D-Gehalt im Blut nieder: „Die Nahrungsaufnahme an Vitamin D“ so das Institut, „korreliert nur schwach“ mit der Konzentration im Blut.

 

Unklarheit besteht auch über die Speicherkapazität des Körpers. Dabei seien gerade diesbezüglich Informationen wichtig, „um den Bedarf an Vitamin D in Abwesenheit von Sonnenlicht, vor allem in den Wintermonaten in allen Altersgruppen besser beurteilen zu können.“

 

Obwohl es also keine seriösen Erkenntnisse über den Bedarf an Vitamin D gibt, verbreiten die Medien stets dramatische Meldungen über einen „Mangel“. Die Angaben über den Bedarf hingegen beruhen nicht auf exakter Ermittlungsarbeit, harten Fakten, sondern auf »Schätzungen« oder »Empfehlungen«, die beispielsweise bei einem »Runden Tisch« verabschiedet werden.

 

Wobei selbst bei einem niedrigen Level nicht unbedingt Handlungsbedarf herrscht: Auch bei Vitamin D wie bei anderen Nährstoffen reduziert der Körper offenbar mitunter den Pegel – und hat dafür ebenfalls seine Gründe.

 

Denn wenn man diesen Menschen Vitamin D verabreicht, bessert sich die Lage keineswegs. Das ergab eine Studie von Professor Philippe Autier vom International Prevention Research Institute in Lyon, die 2013 im Magazin The Lancet erschienen ist. Ergebnis: Niedrige Vitamin-D-Spiegel seien wahrscheinlich eine Folge und nicht der Grund für diverse akute und chronische Erkrankungen, mithin ein »Marker für verschlechterte Gesundheit«.

 

Seinen Bedarf kann der Körper außer durch Besonnung auch über die Nahrung decken.

 

Natürliche Vitamin-D-Quellen (Angaben in Mikrogramm auf 100 Gramm Nahrungsmittel):

 

Hering 27,0

Lachs 16,3

Aal 13,0

Frühstücksei 2,5

Schlagsahne (30 % Fett) 1,1

Käse (Mascarpone) 0,95

Crème fraîche (40% Fett) 0,8

Käse (Butterkäse 60% Fett) 0,7

Frischkäse (Doppelrahm) 0,6

Schweinespeck (Rücken) 0,6

Leberwurst 0,4

Quark (60 % Fett) 0,4

Ziegenmilch 0,25

Sahnekefir 0,2